Sonderpädagogische Diagnostik
Das Verfahren zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf ist ein besonderer Auftrag und hat eine feste schulsystemische Funktion. Auf Grundlage des Schulgesetzes (§ 4c Absatz 3 SächsSchulG) und der Schulordnungen erfolgt die Beantragung des Verfahrens zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf durch die Schule oder die Eltern. Die Einleitung des Verfahrens und die Bestimmung eines Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes (MSD) wird durch das Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) festgelegt. Im Rahmen der Ermittlung von sonderpädagogischem Förderbedarf trifft der MSD Aussagen dazu, in welchem Förderschwerpunkt bzw. welchen Förderschwerpunkten sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, welcher weitere Bildungsgang und Förderort und welche Fördermaßnahmen empfohlen werden (§ 13 Absatz 7 SOFS). Der diesen Aussagen zugrundeliegende diagnostische Prozess dient somit der Vorbereitung und Begründung von schulbehördlichen Entscheidungen und der weiteren Förderung. Er ist folgenreich, hat langfristige Wirkung und ist justiziabel (vgl. Horstkemper 2006, S. 6).
Neben den schulrechtlichen und schulbehördlichen Anforderungen orientiert sich der diagnostische Prozess an dem aufgezeigten bio-psycho-sozialen Verständnis von Sonderpädagogik. Das Kind oder der Jugendliche ist immer im Gesamtzusammenhang seiner individuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten sowie vorhandenen Ressourcen und Barrieren zu betrachten, denn diese haben direkten Einfluss auf das Lernen in konkreten Situationen und können verändert werden. Handlungsleitend für den diagnostischen Prozess ist demzufolge die Frage, welche Möglichkeiten zur Teilhabe und Aktivität das Kind oder der Jugendliche mit seinen individuellen Körperfunktionen (bspw. Denken, Bewegung, Aufmerksamkeit) und Körperstrukturen (bspw. Auge, Hand, Gehirn) hat.
Diagnostiklehrkräfte tragen somit eine hohe ethische Verantwortung, erfüllen hohe kompetenzbezogene Standards und sind angehalten, die Gütekriterien im diagnostischen Prozess permanent zu reflektieren. Die Qualität wird unter anderem sichergestellt durch transparente Prozesse, kooperative Möglichkeiten der Fallberatung im Team, die Einbindung der Eltern und der Schülerinnen und Schüler sowie die regelmäßige Überprüfung diagnostischer Einschätzungen und Beurteilungen, die revidierbar bleiben müssen.
Für die sonderpädagogische Diagnostik im Rahmen des Feststellungsverfahrens gelten darüber hinaus folgende handlungsleitende Grundsätze (vgl. Hofsäss et al. 2016, S. 53):
- Die Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs erfolgt individualisiert unter Verwendung nachvollziehbarer und wissenschaftlich fundierter diagnostischer Methoden und Instrumente.
- Das Feststellungsverfahren wird vor allem im aktuellen Lernumfeld der Schülerin bzw. des Schülers durchgeführt.
- Die Diagnostik im Rahmen der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs wird durch diagnostisch qualifizierte Lehrkräfte (Lehramt Sonderpädagogik und/oder zertifizierte Fortbildungen) durchgeführt.
- Es ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die im Feststellungsverfahren beauftragte Diagnostiklehrkraft und die zukünftige Klassenlehrkraft verschiedene Personen sind.
- Die Beratung von Eltern und Lehrkräften im Vorfeld der Diagnostik sowie die beratende und unterstützende Begleitung nach dem Feststellungsverfahren werden durch für diese Prozesse qualifizierte Lehrkräfte (Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Expertise sowie Beratungslehrerinnen und Beratungslehrer) durchgeführt.
Auf den folgenden Seiten werden grundlegende Aspekte sonderpädagogischer Diagnostik beschrieben.
- Organisationsformen sonderpädagogischer Diagnostik
- Anamnese, individualdiagnostische Fragestellungen und Hypothesen
- Diagnostische Verfahren: Methoden und Instrumente zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs
- Interpretation und Analyse der Untersuchungsergebnisse
- Förderpädagogisches Gutachten
- Auswertung der diagnostischen Ergebnisse: Der Förderausschuss
- Unterstützungsmaterial
- Literatur