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Förderschwerpunkt Lernen

Der Förderschwerpunkt Lernen nimmt einen besonderen Stellenwert ein, da er aufgrund von begrifflicher Unschärfe und damit zusammenhängenden Schwierigkeiten in der Bestimmung der Zielgruppe immer wieder Kritik ausgesetzt war und ist. 

Begriffliche Grundlage ist das Lernen allgemein und das Lernen in der Schule: „Lernen ist die Bezeichnung für Veränderungen im Erleben und Verhalten bzw. in Verhaltensdispositionen eines Individuums, die in Folge von – meist wiederholten – Erfahrungen mit bestimmten Reizen oder Reizkonstellationen entstehen“ (Wember & Heimlich 2014, S. 55). Lernen ist eine grundlegende Fähigkeit sowie Tätigkeit jedes Menschen und kann als komplexe Handlung verstanden werden (Hofsäss et al. 2016, S. 3). Zudem gibt es verschiedene Formen des Lernens (Wember & Heimlich 2014, S. 55):

  • Lernen als Assoziationsbildung
  • Lernen als Verhaltensänderung auf der Grundlage operanter Konditionierung
  • Lernen als Wissenserwerb durch Informationsverarbeitung
  • Lernen als Wissenskonstruktion

Die Komplexität von Lernen als Handlung ist ebenso bedeutungsvoll, wenn es um die Beschreibungen von Erschwernissen und Problemen im schulischen Lernen geht. So zeigt sich zuallererst, dass es in der einschlägigen Fachliteratur keine Einigung gibt, welcher Begriff Probleme im schulischen Lernen am besten beschreibt. Aktuelle Vorschläge für Oberbegriffe sind Lernschwierigkeit (vgl. Heimlich 2011; Gold, 2011), Lernbeeinträchtigungen (vgl. Kanter 1998; Ellinger 2013; KMK 2004; Werning & Lütje-Klose 2012) sowie Lernstörungen (vgl. Matthes 2009/2018; Laut, Grünke & Brunstein 2014). Alle Oberbegriffe haben Vor- und Nachteile und können begründet verwendet bzw. nicht verwendet werden. Die folgenden Ausführungen fokussieren Lernbeeinträchtigungen als Oberbegriff, unter den mehrere Unterbegriffe und Kategorisierungen von Erschwernissen im Lernen gefasst werden, die sich je nach Umfang, Dauer und damit Schwere unterscheiden (vgl. Lauth, Grünke & Brunstein 2014, S. 18). 

Lernbeeinträchtigungen

„Lernbeeinträchtigungen umfassen alle leichten und gravierenden Lernschwierigkeiten, Lernstörungen und sonderpädagogischen Förderbedarfe im Förderschwerpunkt Lernen“ (Ellinger 2013, S. 21). Weiterhin sind Lernbeeinträchtigungen nicht allein schulisch bedingt und bezogen, sondern können soziokulturell bedingt, personenverankert sowie institutionell erzeugt sein (vgl. Ellinger 2013, S. 23). Dementsprechend gibt es für eine Förderung und Unterstützung im Lernen im schulischen Kontext verschiedene Bezugsdisziplinen, u. a. Psychologie, Soziologie und Medizin, die einerseits grundlegende Hinweise für Diagnostik und Förderung liefern und andererseits als Kooperationspartner verortet sind. Die nachfolgende Tabelle zeigt eine mögliche Einteilung von Lernbeeinträchtigungen.

Umfang/
Zeit
Bereichsspezifisch
(partiell)
Allgemein
(generell)
vorübergehend
(passager)
Lernschwierigkeiten:
Lernrückstände in Einzelfächer
Schulschwierigkeiten: 
Lernrückstände in mehreren/allen Fächern
überdauernd
(persistierend)
(Klassifizierbare) Lernstörungen in einzelnen Bereichen
nicht ohne intensive individuelle Förderung auszugleichen
Sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen
nicht ohne sonderpädagogische Förderung auszugleichen

„Lernschwierigkeiten kann im Grunde jeder Lerner irgendwann einmal oder auch wiederholt haben“ (Ellinger 2013, S. 18). Sie treten in allen Schulformen auf und jede Lehrkraft sollte über diagnostische Kompetenzen verfügen, um diese frühzeitig zu identifizieren und einer Ausweitung im Hinblick auf Umfang und Dauer vorbeugen zu können. Sie äußern sich im Nicht-Erreichen von Lernzielen in einzelnen Fächern.

Schulschwierigkeiten sind ebenso vorübergehend, aber generell und treten oft infolge persönlicher Krisen auf (bspw. Krankenhausaufenthalt, Konzentrationsprobleme aufgrund familiärer Krisen) bzw. wenn Kinder und Jugendliche längere Zeit dem Unterricht fernbleiben, bspw. Schulabsentismus (vgl. Lauth, Grünke & Brunstein 2014, S. 18). 

Während vorübergehende Schwierigkeiten mittels pädagogischer Diagnostik identifiziert werden können und ihnen mithilfe pädagogischer Fördermaßnahmen begegnet werden kann, bedürfen die überdauernden Lernbeeinträchtigungen (Lernstörungen und der sonderpädagogische Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen) formaler Diagnostikprozesse. 

Lernstörungen werden mittels psychologischer oder psychotherapeutischer Diagnostik nach den Kriterien einschlägiger Klassifikationssysteme (ICD-11) bestimmt. Die Diagnostik einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) erfolgt gemäß VwV LRS-Förderung durch ein vom LaSuB berufenes Diagnostikteam. „Lernstörungen sind umschriebene und diagnostizierbare Minderleistungen in schulischen Fertigkeiten, die z. T. aus manifestierten Lernschwierigkeiten erwuchsen“ (Ellinger 2013, S. 20) und bedürfen einer intensiven individuellen Förderung. 

Laut den aktuellen KMK-Empfehlungen (2019) lassen Schülerinnen und Schüler mit erheblichen Lernbeeinträchtigungen ihren Unterstützungsbedarf erst erkennen,

„[…] wenn sie mit formellen, strukturierten und institutionalisierten Lernanforderungen in der vorschulischen bzw. schulischen Bildung und Erziehung einer Kindertageseinrichtung bzw. allgemeinen Schule konfrontiert werden. Sie zeigen in besonderer Weise Schwierigkeiten beim Lesen-, Schreiben- und Rechnen-Lernen sowie beim Lernen des Lernens. Probleme beim Lernen-Lernen ergeben sich besonders in der Steuerung und Reflexion des Bildungsprozesses (Metakognition) sowie beim Einsatz bzw. Nutzen von Lernstrategien“ (KMK 2019, S. 6).

Ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen ist bei Kindern und Jugendlichen zu vermuten,

„[…] denen unter den gegebenen individuellen Voraussetzungen – auch bei Ausschöpfung aller Formen der pädagogischen und unterrichtsfachlichen Unterstützung – ein Erreichen der Mindeststandards und der Lernziele der allgemeinen Schule über einen längeren Zeitraum nicht oder nur in Ansätzen möglich ist […]“ (KMK 2019, S. 6).

Schülerinnen und Schüler mit diesen umfänglichen Schwierigkeiten im schulischen Lernen „bedürfen in basalen Bereichen kompensierender Erfahrungen und der Begleitung durch ein intensives, individuell passgenaues, abgestimmtes System zwischen allgemeiner Pädagogik und sonderpädagogischen Bildungsangeboten, sonderpädagogischer Beratung und Unterstützung. Dabei ist die Passung der Unterrichtsangebote mit den biografischen, sozialen und soziokulturellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler unmittelbar bedeutsam“ (KMK 2019, S. 6).  

Eine eindeutige Zuordnung aller aufgeführten Arten von Lernbeeinträchtigungen wird in der Regel nicht möglich sein, zumal sich Lernprozesse dynamisch verändern. Gerade bei Vorliegen von Lernschwierigkeiten, Schulschwierigkeiten und Lernstörungen ist es wichtig, dass präventive Maßnahmen frühzeitig ergriffen werden. Dadurch kann verhindert werden, dass sich vorübergehende Schwierigkeiten manifestieren und ggf. einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen generieren.

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