Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
Der sonderpädagogische Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine sehr heterogene Schülerschaft mit äußerst unterschiedlichen Lernausgangslagen. Diese Kinder und Jugendlichen zeigen je nach Lebenszusammenhang ihren Unterstützungsbedarf auf sehr unterschiedliche Art und Weise (vgl. KMK 2021, S. 5).
Die Bewältigung von individuellen Entwicklungsaufgaben ist im Regelfall durch umfänglichen Unterstützungsbedarf in den Bereichen Wahrnehmung, Denken und Gedächtnis, Kommunikation, Motorik sowie im emotionalen und sozialen Bereich und im Lern- und Arbeitsverhalten geprägt. Oftmals ist der Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung durch Autonomie- und Teilhabeeinschränkungen gekennzeichnet, die es sensibel zu ergründen und zu reduzieren gilt.
Die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen kann zusätzlich durch psychische und/oder physische Risikofaktoren (wie z. B. Sinnesbeeinträchtigungen, progrediente Erkrankungen oder psychiatrische Diagnosen) sowie spezifische biografische, soziokulturelle Erfahrungen und Risikofaktoren (wie bspw. Traumatisierungen, Migrationshintergrund) erschwert sein. Andererseits können individuelle und soziale Resilienzfaktoren Entwicklungsprozesse bzw. Teilhabechancen nachhaltig befördern.
Die Definition und inhaltliche Schwerpunktsetzung des Begriffs „geistige Behinderung“ erfolgt je nach Bezugssystem unterschiedlich. Allen gemeinsam ist jedoch die mehrdimensionale und relationale Betrachtungsweise, die sowohl die Kinder bzw. Jugendlichen mit ihrem individuellen Unterstützungs- und Begleitungsbedarf als auch deren Umfeld in den Blick nimmt.
In den definitorischen Ansätzen von KMK, ICF und ICD rücken neben den kognitiven insbesondere die adaptiven Kompetenzen in den Fokus. Adaptive Kompetenzen, auch adaptive Fähigkeiten und Fertigkeiten, sowie adaptives Verhalten können grundsätzlich als Voraussetzung sozialer Teilhabe beschrieben werden (vgl. ICF; Postler & Sarimski 2017; Schuppener & Klein 2018). Sie ermöglichen es, sich an die Anforderung der Umwelt anzupassen und umfassen die situative Handlungsfähigkeit sowie die interkulturellen Fähigkeiten.
Die hohe Bedeutsamkeit der adaptiven Kompetenzen für Kinder und Jugendliche im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung zeigt sich auch in den übergreifenden Bildungs- und Erziehungszielen sowie Lerninhalten des Lehrplans der Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (Sachsen 2017, IV), wie bspw. „Erwerb lebenspraktischer Handlungskompetenz“ und „Befähigung zur mitgestaltenden Teilhabe“.
Beim schulischen Lernen benötigen Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung individualisierte und differenzierte Lernangebote, welche in kooperative Lernstrukturen eingebettet sein müssen. Es gilt die „Grundüberzeugung, dass eine qualitativ hochwertige schulische, unterrichtsfach- und lebensweltbezogene Bildung auf allen Lern- und Aneignungsebenen möglich ist“ (KMK 2021, S. 4). Hierbei ist eine Verbindung von Bildung, Förderung, Pflege und Therapie zentral, wobei Schülerinnen und Schüler als Akteure ihrer Entwicklung im Mittelpunkt stehen.
Die Beschreibung des Begriffs „geistige Behinderung“ erfolgt je nach Bezugssystem unterschiedlich. Die nachfolgende Übersicht greift zentrale Aspekte einzelner Bezugssysteme auf.
Bezugssystem | verwendeter Begriff | Aspekte einer Feststellung | Einsatzbereich |
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KMK-Empfehlung (2021) | Schwerpunkt geistige Entwicklung |
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Pädagogik (schulischer Bereich) |
ICD-10, F70 bis 79 (ICD) | kognitive Beeinträchtigung |
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Medizin |
ICD-11 6A00.0 bis 6A00.3 | Störungen der Intelligenzentwicklung |
(ICD 11, Version 01-2024) |
Medizin |
ICF-Klassifikation (ICF) | Behinderung |
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Medizin, Therapie (Pädagogik) |
Sozialgesetzbuch | Geistige Beeinträchtigungen |
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Sozialrecht |