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Sonderpädagogische Diagnostik im Förderschwerpunkt Lernen

Sonderpädagogische Diagnostik muss sich auf alle Arten von Lernbeeinträchtigungen beziehen, da eine eindeutige Abgrenzung, insbesondere zu Schulschwierigkeiten und Lernstörungen, in der Regel nicht möglich sein wird. Die Komplexität des Begriffes Lernbeeinträchtigung spiegelt sich auch in den vielfältigen Ansätzen wider, unter denen eine sonderpädagogische Diagnostik erfolgen kann. Eine erste Orientierung bieten mögliche Erklärungsansätze für Probleme im schulischen Lernen, wobei die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

  • Medizinische Sichtweise: Lernbeeinträchtigungen als individuelle Defekte und Folge von Erkrankungen
    • Diagnose in den Bereichen: Motorik, Wahrnehmung, neuropsychologische und neurowissenschaftliche Aspekte
    • Beachtung medizinischer bzw. psychologischer Befunde
  • Psychologische/kognitive Sichtweise: Lernbeeinträchtigungen als Folge eingeschränkter (kognitiver) Lernvoraussetzungen
    • Diagnose in den Bereichen: Vorwissen und Vorerfahrungen, Motivation, Handlungssteuerung, Gedächtnis und Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit, Interesse, sozial-emotionale Dispositionen, Lernstrategien, Selbstkonzept und Selbstwertgefühl, Intelligenz, Lern- und Arbeitsverhalten 
  • Soziologische Sichtweise: Lernbeeinträchtigungen als sozioökonomische und soziokulturelle Benachteiligung (bspw. mangelnde Unterstützung im Elternhaus, Unterversorgung und Armut)
    • Analyse des Umfelds und dessen Einfluss auf das schulische Lernen
  • Ökologische Sichtweise: Lernbeeinträchtigung als erschwerte Lernsituation 
    • Analyse der Lernsituation: Interaktionen, Lerngegenstände, Zeit zum Lernen
  • Interaktionistische Sichtweise: Lernbeeinträchtigung als soziale Zuschreibung und Resultat von Interaktionsprozessen, Etikettierungsansatz 
    • Diagnostik der Passung von Anforderungen und Lernvoraussetzungen/Lerngegenstand und der Lehrkraft-Schüler-Beziehung
  • Schulsystemische Sichtweise: Lernbeeinträchtigungen als Folge ungünstiger schulischer Rahmenbedingungen
    • Analyse des schulischen Umfelds und der bisherigen Förderung, Analyse der Anforderungs- und Vermittlungsstruktur des Unterrichts (mit Blick auf die Klassennorm), Analyse der Leistungsermittlung und -bewertung

Eine sonderpädagogische Diagnostik im Förderschwerpunkt Lernen überprüft auf Grundlage der vorliegenden Daten und Informationen Art und Umfang: 

  • der Kompetenzen im Bereich Kognition (Intelligenz, Lernstrategien und Metakognition) und
  • des Leistungsstandes/der Kompetenzen in den Kernfächern. 

Je nach diagnostischer Notwendigkeit können weitere Bereiche, die das schulische Lernen betreffen, untersucht werden:  

  • Lern- und Arbeitsverhalten  
  • Entwicklungsbereich Wahrnehmung
  • Entwicklungsbereich Sprache und Kommunikation 
  • Entwicklungsbereich Sozialverhalten und Emotionen
  • Entwicklungsbereich Körper und Motorik

Daraus werden notwendige Förder- und Unterstützungsmaßnahmen sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext abgeleitet. 

Die Planung und Durchführung der sonderpädagogischen Diagnostik erfolgt auf der Grundlage individualdiagnostischer Fragestellungen und Hypothesen. Hierfür werden in einer Übersicht Formulierungsbeispiele bereitgestellt. Sie dienen als Orientierung und müssen für die einzelne Schülerin bzw. den einzelnen Schüler angepasst werden.

Hinweise zu Methoden und Instrumenten

Die sonderpädagogische Diagnostik im Förderschwerpunkt Lernen sollte im aktuellen Lernumfeld des Kindes oder Jugendlichen stattfinden. Dafür stehen verschiedene Methoden zur Wahl, die je nach individualdiagnostischer Fragestellung und Hypothesen in unterschiedlichem Maße eingesetzt werden (vgl. Hofsäss et al., 2016, S. 65ff): 

  • offene Beobachtung im Rahmen von vorschulischen Beschäftigungssituationen bzw. Unterrichtshospitation sowie gezielte Beobachtungen zu mindestens zwei ausgewählten Beobachtungsschwerpunkten bzw. Entwicklungsbereichen in mindestens zwei (Unterrichts-)Stunden 
  • ein diagnostisches Gespräch mit den Eltern und ggf. dem Kind oder Jugendlichen
  • ein diagnostisches Gespräch mit Lehrkräften oder pädagogischen Fachkräften
  • informelle Überprüfung der Vorläuferfähigkeiten für die Fächer Deutsch und Mathematik
  • Durchführung spezifischer, standardisierter Schulleistungstests unter Beachtung der aktuellen Anforderungs- und Vermittlungsstruktur des Unterrichts für die Bereiche:
    • Lesen
    • Rechtschreiben
    • Mathematik
  • Durchführung von mindestens einem standardisierten Verfahren zur kognitiven Entwicklung
  • ergänzende Durchführung von Screenings oder Testverfahren zu weiteren auffälligen Entwicklungsbereichen, wenn erhöhte Bedarfe vermutet werden oder das Feststellungsverfahren erweitert werden soll
  • vertiefende qualitative Auswertung (Fehler- und Strategieanalysen) von formellen und informellen Verfahren
  • Dokumentenanalyse (bspw. Vorgeschichte, Entwicklungsdokumentationen, Schullaufbahn, pädagogische Entwicklungspläne, Zeugnisse, Protokolle von Klassenkonferenzen und Fallberatungen, Förderpläne, vorliegende medizinische oder psychologische Befunde)

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die in der Landesliste (2024) empfohlenen Screening- und Testverfahren für die Diagnostik im Förderschwerpunkt Lernen.

Dokument noch in Erarbeitung

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