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Sonderpädagogische Diagnostik im Förderschwerpunkt Sehen

Um eine frühestmögliche und gezielte Förderung zu ermöglichen und damit spätere Auswirkungen auf andere Entwicklungsbereiche (bspw. Kommunikation, Bewegung) so gering wie möglich zu halten und potenzielle Barrieren im Kontext Schule zu identifizieren, ist eine umfassende und spezifische Diagnostik sowohl im medizinischen als auch im sonderpädagogischen Sinne notwendig. 
Im Rahmen der sonderpädagogischen Diagnostik im Bereich Sehen werden Aspekte des physiologischen Sehens in der Anamnese dargestellt und im Hinblick auf die Auswirkungen auf das funktionale Sehen bzw. andere Bereiche eingeschätzt. 
Darauf aufbauend stellen individualdiagnostische Fragestellungen und Hypothesen die Grundlage des weiteren diagnostischen Prozesses dar. 

Formulierungsvorschläge für individualdiagnostische Fragestellungen und Hypothesen im Förderschwerpunkt Sehen sind in einer Übersicht zusammengefasst. Sie dienen als Orientierung und müssen für die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler angepasst werden.
 

Mittels Erhebung, Auswertung und Interpretation von schülerbezogenen Daten und Informationen werden

  • die Art und das Ausmaß von Auffälligkeiten im funktionalen Sehen und/oder Strategien zur Bewältigung visueller Anforderungen,
  • der Anpassungsbedarf der Rahmenbedingungen und/oder der didaktisch-methodischen Angebote sowie 
  • ggf. Auffälligkeiten in anderen (Entwicklungs-)Bereichen festgestellt

und Vorschläge für notwendige Förder- und Unterstützungsmaßnahmen abgeleitet.
 

Hinweise zu Methoden und Instrumenten

Die Entscheidung für eine diagnostische Methode und ein diagnostisches Instrument erfolgt in Abhängigkeit von den zu beantwortenden individualdiagnostischen Fragestellungen und Hypothesen sowie den Zugangsfertigkeiten des Kindes bzw. des Jugendlichen. Dabei kommt der Tatsache, dass psychologische Testverfahren für sehende Probandinnen und Probanden entwickelt und standardisiert wurden, eine besondere Bedeutung zu. Eine diagnostisch verantwortungsvolle Anwendung von Testinstrumenten sowie die Interpretation der Ergebnisse ist im Sinne der Testtheorie auch bei Modifizierungen für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung des Sehens und Blindheit nicht aussagekräftig. Es können lediglich Hinweise für die prozessbegleitende sonderpädagogische Förderung abgeleitet werden. Weiterführende Entwicklungen von Testinstrumenten sind durch die Diagnostiklehrkräfte (MSD) zu beachten.

Mögliche diagnostische Methoden und Instrumente für eine sonderpädagogische Diagnostik im Förderschwerpunkt Sehen sind Beobachtungen, informelle und standardisierte Verfahren, Befragungen und Gespräche sowie die Analyse fachärztlicher Befunde. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die in der Landesliste (2024) empfohlenen Methoden und Instrumente für die Diagnostik im Förderschwerpunkt Sehen.

Dokument noch in Erarbeitung
 

Die Erhebung diagnostischer Daten erfolgt in unterschiedlichen Situationen und berücksichtigt unterschiedliche Perspektiven (z. B. Eltern, Lehrkraft, Kind bzw. Jugendlicher) und setzt auf interdisziplinäre Zusammenarbeit mit medizinischen oder therapeutischen Fachkräften, die das Kind oder den Jugendlichen diagnostiziert haben oder betreuen. 
Für die Vorbereitung anamnestischer oder diagnostischer Gespräche mit Kindern und Jugendlichen, Eltern, Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften steht eine digitale Applikation bereit.

Eine differenzierte Übersicht über alle relevanten diagnostischen Teilbereiche unterstützt die praktische Arbeit der Diagnostiklehrkräfte. 
 

Der Begriff CVI wird zur Beschreibung zerebral bedingter Sehstörungen verwendet (vgl. Moll 2017, S. 5). Damit sind Formen von Beeinträchtigungen der visuellen Wahrnehmungen gemeint, die auf Funktionsbeeinträchtigungen oder Schädigung des Sehsystems im Gehirn zurückzuführen sind. Bislang erscheint CVI jedoch nicht im internationalen Diagnosemanual (ICD-10), sodass bislang keine verbindlichen Kriterien zur Diagnostik durch unterschiedliche Disziplinen vorliegen (vgl. Moll 2017, S. 7ff). Zahlreiche Studien zur Beschreibung der Auswirkungen von CVI weisen auf eine große Heterogenität unter den Betroffenen hin. Es gibt Vorschläge, die sehr allgemeine Definition von CVI durch die Beschreibung der visuellen Leistungen bzw. gestörter Teilbereiche zu ergänzen. (siehe dazu ausführlich: Zihl et al. 2012; Zihl & Dutton 2015).

Auf das funktionale Sehen können sich zerebral bedingte Sehstörungen ganz unterschiedlich auswirken (vgl. Henriksen & Laemers 2016, S. 52ff). Für pädagogische Kontexte bedeutet dies, dass es einer umfassenden und längerfristigen prozessbegleitenden Diagnostik bedarf, um sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt Sehen zu ermitteln. 
 

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