Formale Einordnung und Beratungsanlässe
Der Definition Mutzecks folgend ist Beratung eine besondere Interaktionsform. Sickendiek et al. (2002) verweisen innerhalb dieser besonderen Interaktionsform auf die notwendige Differenzierung zwischen informellen Beratungsgesprächen, wie beispielsweise das Pausengespräch zwischen Kolleginnen und Kollegen oder das Gespräch zwischen Eltern vor dem Elternabend und der formalisierten Beratung. Zwar können informelle Gespräche durch den konkreten Austausch über aktuelle Problemlagen und eventuell problemlösende Handlungen einen wichtigen Beitrag für eine situative Klärung leisten. Sie werden jedoch nicht den professionellen Ansprüchen einer sonderpädagogischen Beratung gerecht.
Im Rahmen formalisierter Beratung wird der Beratungsprozess sowohl durch das Professionswissen der beratenden Person, als auch durch eine entsprechende Expertise für den Beratungsprozess geprägt. Diese nach Ellinger (2010, S. 20) auch als institutionelle Beratung zu bezeichnende Form stellt damit ein explizites, möglichst niedrigschwelliges Hilfsangebot, wissenschaftlich, methodisch und häufig auch inhaltlich ausgebildeter Beraterinnen und Berater dar.
Neben der Unterteilung in den Grad der Formalisierung können Beratungsgespräche im schulischen Setting nach vertikalen und horizontalen Interaktionsmustern unterschieden werden.
- In der vertikalen Beratung, auch Expertenberatung, wird von einer übergeordneten thematischen Expertise der Beraterin oder des Beraters ausgegangen. Die ratsuchende Person legt das Problem in die Hände der beratenden Person, die auf Grundlage ihrer Expertenstellung Lösungsvorschläge erarbeitet (vgl. Mutzeck 2008, S. 33). Beispielsweise kann die klassische Bildungsberatung dieser Form zugeordnet werden.
- Eine horizontale, nondirektive (Prozess-)Beratung hingegen ist durch die gegenseitige Annahme des Expertenstatus geprägt. So wird niemand widersprechen, dass in einer sonderpädagogischen Beratung sowohl aufseiten der Diagnostiklehrkraft als auch aufseiten der Regelschullehrkraft eine Expertise für das jeweilige Feld vorliegt. Lösungs- und Handlungsalternativen werden gemeinschaftlich im Prozess erarbeitet.
Erfahrungen mit sonderpädagogischer Beratung machen deutlich, dass eine klare Kategorisierung nicht immer möglich ist. Verfügt eine Person über ausreichend Beratungskompetenz, ist es durchaus möglich, dass auch in horizontalen Beratungsprozessen Expertenwissen eingebracht wird. Dabei ist die Gestaltung der Beratung ein immer wieder neu auszuhandelnder Prozess, der einen hohen Grad an Transparenz auf der Inhalts-, Problem- und Beziehungsebene aufweisen muss, um den Erwartungen beider Seiten gerecht zu werden (vgl. Methner et al. 2013, S. 20).
Auch wenn sich im schulischen Bereich seit Ende der 1960er Jahre verschiedene Aufgaben beratender Tätigkeit ausdifferenziert haben, existiert nach wie vor kein abgestecktes Aufgabenfeld für Beraterinnen und Berater (Hempel et al. 2017, S. 136). In Anlehnung an Schwarzer & Posse (2005, S. 150f.) können, auch vor dem Hintergrund eines zunehmenden gemeinsamen Unterrichts, folgende Beratungsanlässe und deren Zielgruppen beschrieben werden:
Zielgruppe Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern |
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Zielgruppe Lehrkräfte |
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Zielgruppe Schulleitung und Organisation |
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