Hauptinhalt

Sonderpädagogische Beratung im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung

Schnittstelle pädagogischer und sonderpädagogischer Förderbedarf: Indikatoren für einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung

Für eine Beratung im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung ist ein fachärztlicher Befund grundlegend. Liegt dieser zum Zeitpunkt der Beratung noch nicht vor, werden die Eltern auf die notwendige Nachreichung hingewiesen.
Ein fachärztlicher Befund führt nicht zwangsläufig zur Einleitung des Verfahrens, sondern dies ist im Hinblick auf die aufgeführten Diagnosekriterien zu prüfen.
Wenn sich auf der Grundlage der medizinischen Diagnose, dem Krankheitsbild und der individuellen Einschränkungen mehrere mögliche Förderschwerpunkte ergeben, muss der zu vermutende Förderschwerpunkt durch genaue Beobachtung und Beschreibung ermittelt werden. Gegebenenfalls ist eine weitere Beratungsanforderung in einem anderen Förderschwerpunkt mit Verweis auf die Aussagen des MSD der Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung notwendig.

Die Auswirkungen der folgenden, nicht nur vorübergehend, sondern längerfristig (mind. sechs Monate) oder lebenslang gegebenen und zuvor von Fachärztinnen und Fachärzten diagnostizierten körperlich-motorischen Beeinträchtigungen können sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung zur Folge haben (in Anlehnung an Leyendecker 2005): 

  • Veränderungen von Gehirn und Rückenmark, bspw. Infantile Cerebralparese (ICP), Spina Bifida, Epilepsie, Querschnittslähmung (angeboren/erworben), Multiple Sklerose 
  • Veränderungen von Muskulatur und Knochengerüst, bspw. Muskelerkrankungen, Osteogenesis imperfecta, Fehlstellungen der Wirbelsäule, Wachstumsstörungen 
  • Chronische sowie progrediente Erkrankungen oder Fehlfunktionen von Organen, bspw. Mukoviszidose, rheumatische Erkrankungen, Herzerkrankungen, Krebserkrankungen, Asthma, Diabetes 

Die Aufzählung verdeutlicht die äußerst heterogene Schülerschaft im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung, kann diese aber nicht abschließend abbilden. Sie wird zuweilen um weitere Entwicklungsveränderungen wie bspw. Beeinträchtigungen der (vor allem visuellen) Wahrnehmung, schwerwiegende psychische Belastungen infolge veränderten Aussehens oder Traumafolgen ergänzt. 
Bei umschriebenen Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen (vgl. auch Dyspraxie, motorische Teilleistungsstörung oder sensorische Integrationsstörung) kann nicht zwangsläufig von einem sonderpädagogischen Förderbedarf ausgegangen werden.  

Sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung ist dann zu vermuten, wenn sich die diagnostizierten körperlich-motorischen Beeinträchtigungen auf die folgenden Bildungs- und Entwicklungsbereiche so gravierend auswirken, dass ein umfänglicher Unterstützungsbedarf notwendig ist:

  • Grob-, Fein- und Graphomotorik
  • Koordination, Kraft, Geschicklichkeit
  • Orientierung und Mobilität
  • Wahrnehmung
  • körperliche Belastbarkeit
  • Selbstversorgung und Selbstständigkeit

Zudem können weitere Bereiche betroffen sein:

  • Sprache und Kommunikation
  • emotionale und soziale Entwicklung
  • Aufmerksamkeit und Konzentration
  • (vor-)schulische Lernausgangslage (kognitive Entwicklung, Lern- und Arbeitsverhalten)

Es ist zu prüfen, welche Voraussetzungen die Kinder und Jugendlichen mitbringen, um selbstständig im (Schul-)Alltag tätig zu werden und teilzuhaben. Dabei sind vielfältige Bereiche des (Schul-)Alltags in den Blick zu nehmen, u. a.:

  • Wege im Schulhaus und auf dem Schulgelände    
  • Nahrungsaufnahme 
  • hygienische Maßnahmen  
  • Vor- und Nachbereitung des Unterrichts 
  • Nutzung von vorhandenen Hilfsmitteln

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über notwendige Voraussetzungen, die Kinder und Jugendliche mitbringen sollten, um selbstständig im (Schul-)Alltag teilhaben zu können:

Bei der sonderpädagogischen Beratung von Kindern und Jugendlichen, bei denen sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung vermutet wird, ist zu prüfen, welche Rahmenbedingungen im Zuge einer individuellen pädagogischen Förderung umgesetzt werden können. 

Die Unterscheidung zwischen pädagogischen und sonderpädagogischen Maßnahmen kann nicht an konkreten Beispielen festgemacht werden, sondern daran, wie umfänglich, schwerwiegend und langfristig sie in den Unterricht und Schulalltag eingreifen. Durch das Ausschöpfen gezielter individueller Fördermaßnahmen kann ggf. sonderpädagogischer Förderbedarf vermieden werden.

In der nachfolgenden Übersicht sind mögliche Maßnahmen der individuellen pädagogischen Förderung im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung aufgeführt:

Der Verzicht auf die Einleitung des Verfahrens zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf i. S. eines präventiven Ansatzes kann nur vorbehaltlich der weiteren Entwicklung der Schülerin oder des Schülers und einer abgesicherten Durchführung und Finanzierung aller notwendigen Maßnahmen (bspw. zweiter Schulbuchsatz) befürwortet werden. 

Die beschriebenen Aspekte sind konsequent in die Erarbeitung folgender praxisorientierter Unterstützungsmaterialien für den Beratungsprozess im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung eingeflossen:

Hinweise für die Beratung

Um die Beratung besser planen und zielgerichtet durchführen zu können, kann der MSD bereits im Vorfeld an Eltern, pädagogische Fachkräfte (Kindertageseinrichtung) oder Lehrkräfte (Stammschule) einen Vorabfragbogen versenden. Der Bogen umfasst Fragen zum Lern- und Entwicklungsstand bzw. zur aktuellen Situation der Schulanfängerin oder des Schulanfängers bzw. der Schülerin oder des Schülers. Folgende Vorabfragebögen stehen für den Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung zur Verfügung:

Zudem können Fragebögen des MOVE 4-8 bereits im Vorfeld der Beratung durch Eltern, pädagogische Fachkräfte (Kindertageseinrichtung) oder Lehrkräfte (Stammschule) ausgefüllt werden.

Bei schwerwiegenden körperlich-motorischen Beeinträchtigungen und einer eindeutigen medizinischen Diagnose sowie bei ausreichender Zuarbeit in Form von Aussagen von Eltern, Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften, Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten kann auf eine Beratung in Präsenz verzichtet werden und diese stattdessen telefonisch oder digital erfolgen. 

Im Beratungsprozess können in begründeten Einzelfällen Screening-Verfahren wie beispielsweise GRAFOS-Screening oder die Kurzversion des BOT-2 eingesetzt werden.
 
Der Einsatz von Screening-Verfahren kann der Beantwortung folgender Aspekte dienen:

  • Abgrenzung von pädagogischem und sonderpädagogischem Förderbedarf
  • Abgrenzung zu den Förderschwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung
  • Beschreibung der Ausprägung einer Diagnose „Entwicklungsverzögerung in der körperlich-motorischen Entwicklung“
  • Beschreibung der körperlich-motorischen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen ohne Diagnose 

Die Empfehlungen der Schulaufnahmeuntersuchung können bereits Hinweise liefern, ob sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung zu vermuten ist. Liegen zum Zeitpunkt der Beratung noch keine Befunde vor, können

  • Ergebnisse der U9 und
  • die Dokumentationen einer Frühförderung

wichtige Informationen für die meldende Schule und den MSD liefern.

zurück zum Seitenanfang