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Sonderpädagogische Diagnostik im Bereich Autismus

Die gesicherte Diagnose aus dem Autismus-Spektrum ist verbindliche Voraussetzung für die entsprechende sonderpädagogische Diagnostik in einem Förderschwerpunkt in Verbindung mit Autismus. 
Bei der sonderpädagogischen Diagnostik von Kindern und Jugendlichen mit einer Diagnose im Autismus-Spektrum sollten insbesondere folgende Bereiche in den Blick genommen werden:

  • Emotionalität und Sozialverhalten (insbesondere Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Selbstbild, Ängste, Routinen, sich wiederholendes bzw. zwanghaftes Verhalten, Auto- und Fremdaggression, Kontaktverhalten, Kooperation und Teamfähigkeit, Selbstkontrolle, soziales Regelbewusstsein)
  • Lern- und Arbeitsverhalten (insbesondere Lernbereitschaft, Motivation, Arbeitshaltung, Selbstständigkeit)
  • Sprache und Kommunikation (insbesondere funktionelle Sprache, Mimik und Gestik)
  • Körper und Motorik (insbesondere Grob-, Fein-, Graphomotorik, wiederholende und stereotype Wiederholungen)
  • Kognition
    • Wahrnehmung (insbesondere Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen)
    • Denken (insbesondere Theory of Mind, kognitive Flexibilität, verstärkte Rationalität, besondere Denkmuster, Impulskontrolle, selektive Aufmerksamkeit, Fokussierung der Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeitsdauer, Zentrale Kohärenz, Exekutive Funktionen)
    • Gedächtnis (insbesondere interessenabhängiges Abspeichern von Informationen, Arbeitsgedächtnis)
  • Autonomie und Teilhabe
    • Kommunikation (insbesondere Zuhören und Verstehen, Dialogfähigkeit, Äußern von Bedürfnissen und Befindlichkeiten)
    • Alltagsfähigkeiten (insbesondere Selbstmanagement, Flexibilität bzw. Umgang mit Neuem und Veränderungen, Selbstständigkeit, Selbstversorgung)
    • Soziale Fähigkeiten (insbesondere Verständnis von und Reaktion auf soziale Signale, soziale Anpassungsfähigkeit, Konfliktbewältigung, Beziehungen gestalten und aufrechterhalten)
  • Passung der Rahmenbedingungen
    • vorschulisches Umfeld (insbesondere Frühförderung)
    • schulisches Umfeld (insbesondere Rahmenbedingungen, Fachkräfte, didaktisch-methodische Gestaltung des Unterrichts, Gestaltung von Förderprozessen, Wissen und Handlungsmöglichkeiten der Pädagoginnen und Pädagogen, Klassensituation)
    • Außerschulisches Umfeld (insbesondere Familiensituation, Fachkräfte, Therapien)

Zu den Rahmenbedingungen des Unterrichts und Schulalltags steht Ihnen folgendes Dokument zu Verfügung:

Die Auswahl der konkreten Bereiche erfolgt auf der Grundlage individualdiagnostischer Fragestellungen und Hypothesen. Hierfür werden in einer Übersicht Formulierungsbeispiele bereitgestellt. Sie dienen als Orientierung und müssen für die einzelne Schülerin oder den einzelnen Schüler angepasst werden.

  • Beobachtung und Testung sollten langfristig angelegt sein und im gewohnten Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen durchgeführt werden.
  • Diagnostische Datenerhebungen sollten aus mehreren Perspektiven erfolgen und mit verschiedenen methodischen Zugängen (u. a. Beobachtung, Screening, Tests, Explorationsgespräche, Befundanalyse) durchgeführt werden. Der prozessbegleitenden Diagnostik sollte ein hoher Stellenwert beigemessen werden.
  • Beobachtungen im Unterricht sowie in offener sozialer Interaktion, in Pausen und bei Freizeitaktivitäten sollten unbedingt Inhalt der Diagnostik sein.
  • Diagnostische Gespräche sollten genutzt werden, um Erfahrungen von Personen, die schon länger mit dem Kind bzw. Jugendlichen leben und arbeiten, einzubeziehen.
  • Neben Gesprächen mit Bezugspersonen sollten in Gesprächen mit dem Kind bzw. Jugendlichen dessen Interessen, Stärken und besondere Vorlieben festgehalten werden.
  • Im Vorfeld ist es ratsam, Gespräche mit Bezugspersonen zur Gestaltung der Beobachtungs-, Gesprächs- und Testsituation zu führen.
  • Eine Vorhersehbarkeit der diagnostischen Schritte und der Termine lässt sich bspw. durch Visualisierung der Handlungsschritte und Checklisten gewährleisten.
  • Fragen, Erklärungen und Anweisungen, die an das Kind bzw. den Jugendlichen gerichtet werden, müssen stets in einer klaren, ironie- und metapherfreien Sprache erfolgen.
  • Es ist zu empfehlen, Interessen zum Einstieg in ein Gespräch zu erfragen und im Gespräch erneut aufzugreifen.
  • Außerdem sollte jedes Gespräch mit stärken- und ressourcenorientierten Themen beginnen. 

Die Entscheidung für eine diagnostische Methode und ein diagnostisches Instrument erfolgt in Abhängigkeit von den zu beantwortenden individualdiagnostischen Fragestellungen und Hypothesen sowie den Zugangsfertigkeiten des Kindes bzw. des Jugendlichen. 
Zeigt sich, dass bei standardisierten Testverfahren Modifizierungen in der Darbietung und Durchführung notwendig sind, um der Schülerin oder dem Schüler im Autismus-Spektrum die Durchführung zu ermöglichen, können aus den Ergebnissen und Beobachtungen ausschließlich qualitative Aussagen sowie Hinweise für die prozessbegleitende sonderpädagogische Förderung abgeleitet werden.

Die Erhebung der relevanten diagnostischen Informationen erfolgt u. a. durch

  • Gespräche,
  • Beobachtung,
  • Akteneinsicht (u. a. medizinisch-therapeutische Unterlagen; Vorabfragebogen; Antragsunterlagen (Formblatt V1) sowie
  • Screening- und Testverfahren.

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die in der Landesliste (2024) empfohlenen Screening- und Testverfahren für die Diagnostik im Bereich Autismus.

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