Sonderpädagogische Beratung im Bereich Autismus
Schnittstelle pädagogischer und sonderpädagogischer Förderbedarf: Indikatoren für einen sonderpädagogischen Förderbedarf in Verbindung mit einer Diagnose im Autismus-Spektrum
Kinder und Jugendliche mit einer Diagnose im Autismus-Spektrum haben eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die in ihrer Komplexität die Lebens- und Lernsituation umfänglich beeinträchtigt. Zentrale Bedeutung besitzen qualitative Beeinträchtigungen
- der Wahrnehmungsverarbeitung,
- der sozialen Interaktion und
- der wechselseitigen, altersgemäßen und situationsangemessenen Kommunikation.
Erschwerend wirken:
- eingeschränkte, wiederholte und/oder stereotype Verhaltensmuster sowie
- eingeschränkte Interessen und Aktivitäten.
Kinder und Jugendliche im Autismus-Spektrum bedürfen in jedem Fall individueller pädagogischer Förderung, die im Rahmen einer Bildungsvereinbarung und/oder eines pädagogischen Entwicklungsplanes dokumentiert und evaluiert werden kann. Im Rahmen einer Beratung
- durch die Fachberaterin oder den Fachberater Autismus oder eine beratende Lehrkraft der Förderschule mit Expertise Autismus (gemäß § 2 SOFS) und/oder
- mit weiteren Fachkräften (u. a. Schulpsychologie, Beratungslehrkraft)
können zur Verfügung stehende schulische Maßnahmen der individuellen Förderung und des Nachteilsausgleiches mit allen an der Umsetzung beteiligten Personen (insbesondere Klassenlehrkraft, Eltern, Kind oder Jugendlicher) besprochen werden. Mögliche Rahmenbedingungen zur Gestaltung des Unterrichts und des Schulalltages bei Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum werden unter dem Menüpunkt Förderung aufgezeigt.
Eine sonderpädagogische Beratung nach § 4 SOGS oder § 13 SOFS bzw. § 15 SOFS bei Kindern und Jugendlichen, die eine Diagnose im Autismus-Spektrum haben, sollte immer unter Hinzuziehung der Fachberaterin oder des Fachberaters Autismus bzw. eines MSD mit Expertise Autismus erfolgen.
Ein sonderpädagogischer Förderbedarf in Verbindung mit einer vorliegenden fachärztlich gutachterlich bestätigten Diagnose im Autismus-Spektrum ist zu vermuten, wenn:
- umfänglicher Unterstützungsbedarf in mehreren Entwicklungs- und Bildungsprozessen besteht,
- Autonomie und Teilhabe umfassend eingeschränkt sind und
- die zur Verfügung stehenden schulischen Maßnahmen (individuelle Förderung, Nachteilsausgleich, Bildungsvereinbarung) nicht ausreichen, um das Kind bzw. den Jugendlichen zum schulischen Lernerfolg zu führen.
Im Ergebnis der Beratung ist eine Empfehlung zum vermuteten Förderschwerpunkt zu treffen, die sich an der gesicherten Diagnose im Autismus-Spektrum orientiert:
Diagnose im Autismus-Spektrum | Möglicher sonderpädagogischer Förderschwerpunkt | ||
---|---|---|---|
ohne Störung der Intelligenzentwicklung |
ohne Beeinträchtigung der funktionellen Sprache | körperliche und motorische Entwicklung emotionale und soziale Entwicklung |
|
mit Beeinträchtigung der funktionellen Sprache |
Sprache Hören |
||
mit Störung der Intelligenzentwicklung |
ohne Beeinträchtigung der funktionellen Sprache | Lernen | |
mit Beeinträchtigung oder Fehlen der funktionellen Sprache | geistige Entwicklung |
Die beschriebenen Aspekte sind konsequent in die Erarbeitung des folgenden praxisorientierten Unterstützungsmaterials für den Beratungsprozess bei sonderpädagogischem Förderbedarf in Verbindung mit einer Diagnose im Autismus-Spektrum eingeflossen:
Hinweise für die Beratung
Im Rahmen einer sonderpädagogische Beratung für einen Förderschwerpunkt in Verbindung mit einer Diagnose im Autismus-Spektrum sollte die meldende Schule bereits folgende Informationen dem Beratungsantrag (Formblatt B1) beifügen:
- gesicherte Diagnose aus dem Autismus-Spektrum (Gutachten, Befund, Bericht)
- Entwicklungsdokumentation der Kindertageseinrichtung oder Dokumentation der bisherigen Maßnahmen zur Entwicklung und Förderung
- ggf. schulpsychologische Stellungnahme
- Vorabfragebogen Schulanfängerin/Schulanfänger (*.docx, 0,88 MB)
- Vorabfragebogen Schülerin/Schüler (*.docx, 0,89 MB)
Im Beratungsprozess wird die Durchführung folgender Methoden empfohlen:
- Gespräche mit den an der Entwicklung des Kindes bzw. des Jugendlichen beteiligten Personen
- Analyse vorhandener medizinischer, psychologischer und therapeutischer Befunde
- Analyse bereits durchgeführter individueller Fördermaßnahmen sowie vorhandener Ressourcen
- Beobachtung des Kindes oder Jugendlichen in seiner Lernumgebung
Mögliche Beobachtungsschwerpunkte:- Lern- und Entwicklungsstand
- Lern- und Arbeitsverhalten
- Handlungsplanung und Handlungssteuerung
- soziale Kommunikation, Interaktion und Teilhabe
- Besonderheiten in der Wahrnehmungsverarbeitung
Auf den Einsatz von standardisierten Testverfahren oder die Verwendung von ausgewählten Untertests sollte im Rahmen der Beratung i. d. R. verzichtet werden. Im Einzelfall oder bei unzureichender Befundlage können ausgewählte Testverfahren (vgl. Landesliste) Anwendung finden, sofern geprüft werden soll, ob der Lernstand in den zentralen Bildungsbereichen (Sächsischer Bildungsplan) bzw. Kernfächern den Lehrplananforderungen (Lehrplänen der Grund- bzw. Oberschule bzw. des Gymnasiums) entspricht.
In den Beratungsprozess können weitere schulische und außerschulische Kooperationspartner einbezogen werden:
- Schulpsychologie
- Fachberaterin bzw. Fachberater Autismus
- Förderpädagogische Beratungsstelle
- Autismuszentrum
- Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Sozialpädiatrische Zentren
- Therapeutinnen und Therapeuten
- EUTB (Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung)
- Familien- und Erziehungsberatungsstelle
- Jugendamt oder Sozialamt
- ggf. Frühförderstelle