Hauptinhalt

Gestaltung von Förderprozessen im Förderschwerpunkt Hören

Icon Förderdiagnostik Förderung Hören

Folgende förderspezifische Maßnahmen sind im Förderschwerpunkt Hören von besonderer Bedeutung (vgl. Stecher & Rauner 2019):

(A) Sicherung optimaler Hörbedingungen
(B) Sprache von Lehrkräften
(C) Förderung des Sprach- und Textverständnisses
(D)
Sprach- und Kommunikationsförderung

Gemeinsame Verantwortung für die genutzten Hörsysteme

Jede Lehrkraft, die Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung unterrichtet, trägt Verantwortung für die Sicherung möglichst optimaler Hörbedingungen.

Übergeordnetes Ziel ist dabei, dass die Schülerinnen und Schüler mehr und mehr selbst Verantwortung für die Optimierung der Hörbedingungen übernehmen. Dies erkennt man bspw. daran, dass die Schülerinnen und Schüler

  • die vorhandenen Hörsysteme (Hörgerät/CI/DAÜ) nutzen,
  • Rückmeldung über deren Funktionsfähigkeit geben,
  • die von ihnen genutzten Hörsysteme regelmäßig überprüfen (lassen),
  • ihre Hörgeräte/CI regelmäßig pflegen,
  • einfache Defekte an ihren Hörgeräten/CI selbst beheben,
  • wissen, an wen sie sich bei größeren Defekten ihres Hörgeräts/CI wenden können und für die umgehende Behebung dieser Defekte sorgen.

Es gehört zur Grundausstattung jedes Klassenraums, in dem Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung unterrichtet werden, dass die für die (tägliche) Kontrolle der Hörsysteme notwendigen Prüfmaterialien (Stethoclip, Batterieprüfgerät, Puster, CI-Abhörkabel) vorhanden sind.

Lehrkräfte sollten sich grundlegend mit der Nutzung der Technik vertraut machen. Hierbei können die Beratungsstellen an den betreffenden Förderschulen/Förderzentren einbezogen bzw. entsprechende Schulungsangebote genutzt werden.

Integration der Kontrolle der Hörsysteme in den Unterricht

Ein offener Unterrichtsbeginn im Sinne einer ritualisierten stillen Freiarbeitsphase eignet sich beispielsweise hervorragend, um die Kontrolle der Hörsysteme gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern durchzuführen. So haben Lehrperson und die jeweilige Schülerin oder der jeweilige Schüler die Möglichkeit, sich in Ruhe dieser wichtigen Aufgabe zu widmen.

Einsatz von drahtlosen akustischen Übertragungsanlagen (DAÜ)

Der konsequente Einsatz einer funktionstüchtigen Übertragungsanlage ist Grundvoraussetzung dafür, Schülerinnen und Schülern mit einer Hörschädigung das Sprachverstehen, bspw. in einem Unterrichtsgespräch, bei Vorträgen oder im Rahmen einer Arbeitsanweisung, zu erleichtern. Relevante Informationen werden dadurch störungsfrei und unabhängig von der Distanz übertragen.
 
Gestaltung der räumlichen Bedingungen

Die Gestaltung günstiger Hör- und Sehbedingungen kann die Übertragung der Sprachsignale deutlich verbessern und dadurch das Verstehen erleichtern. Dies betrifft u. a.

  • schalldämmende bauliche Maßnahmen (Schallschutzdecken und -vorhänge, geeignete Bodenbeläge),
  • Minimierung störender Hintergrund- und Nebengeräusche (Lage des Klassenzimmers, Filzgleiter, Raumteiler),
  • Auswahl eines geeigneten Sitzplatzes in Abhängigkeit von der Art der Hörschädigung (blendfreie Sicht, nicht neben einer Geräuschquelle).

Um einschätzen zu können, welche Qualität die Raumakustik hat, sollte auf die Unterstützung von Fachkräften aus den Schulen mit dem Förderschwerpunkt Hören zurückgegriffen werden. 

Bei der Verwendung einer hör- und sprachsensiblen Sprache im Unterricht werden die folgenden vier Bereiche in den Blick genommen:

Sprache
Neben einer motivierenden, schülerzugewandten Kommunikation tragen folgende Aspekte zu einer hör- und sprachsensiblen Unterrichtssprache bei: 

  • die Reduktion der Komplexität von Äußerungen und Arbeitsaufträgen
  • die Nutzung und Förderung von handlungsbegleitendem Sprechen
  • die gezielte Wiederholung bzw. Akzentuierung wichtiger Wörter, Satzteile oder Sätze
  • der bewusste Einsatz von Modellierungstechniken (Dannenberg 2002)
    • „Korrektives Feedback: Die Äußerung wird in korrekter Form wiederholt.
    • Expansion: Eine unvollständige Äußerung wird aufgegriffen und unter Einbau der Zielstruktur vervollständigt.
    • Extension: Es wird inhaltlich an die Äußerung angeknüpft und diese unter Verwendung der Zielstruktur logisch weitergeführt.
    • Umformung: Die Äußerung wird in veränderter Form wiedergegeben, wobei die Zielstruktur eingeführt oder variiert wird“ (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern 2021, S. 14f.).

Hinweis:
Beim Einsatz von Modellierungstechniken ist darauf zu achten, dass die Schülerinnen und Schüler freie Kapazitäten haben, um das korrekte Hör- bzw. Sprachmodell auch nutzen zu können. Werden beispielsweise neue oder komplexe Inhalte erarbeitet oder sind Sozialformen oder eingesetzte Methoden noch unbekannt, muss eine Fokussierung der Lernenden auf diese neuen Aspekte ermöglicht werden, wobei die Sprache keine Hürde bei der Erarbeitung darstellen sollte. Geeignete Phasen für den Einsatz von Modellierungstechniken sind hingegen ritualisierte oder wiederholende Phasen.

Sprechen/Gebärden
Die Sprechweise der Lehrperson sollte folgende Qualitäten aufweisen:

  • gezielte Akzentuierung: die Wichtigkeit bestimmter Wörter, Satzteile und Sätze wird besonders hervorgehoben
  • Klarheit und Deutlichkeit
  • Variationsreichtum: laut/leise, hoch/tief, langsamer/schneller
  • gezielter Einsatz von Pausen: Zeit zum Nachdenken geben, Phrasengrenzen markieren und dadurch wichtige Wörter und Zielstrukturen markieren

Nonverbale Kommunikation
Die nonverbalen Anteile in der Sprache der Lehrkräfte sollten folgende Qualitäten aufweisen:

  • Halten von Blickkontakt (Herstellen eines persönlichen Bezugs zu den Schülerinnen und Schülern, Sicherung der Aufmerksamkeit, Signalisierung aktiven Zuhörens)
  • unterstützender Einsatz von Mimik und Gestik 

Anschaulichkeit
Der Einsatz von Visualisierung (Unterstützung der Sprache durch Bilder, Schrift, lautsprachunterstützende Gebärden) und handlungsbegleitendem Sprechen trägt wesentlich zur Anschaulichkeit bei. Im Unterricht sollten sich daher Handlung und Sprache aufeinander beziehen (Reber & Schönauer-Schneider 2018) und das handlungsbegleitende Sprechen Abläufe und (komplexe) Zusammenhänge vermitteln. 

Hinweis:
Beim Einsatz von Deutscher Gebärdensprache ist kein gänzlich simultanes Vorgehen möglich, da auditiver und visueller Eingangsmodus nicht gleichzeitig genutzt werden können, wie dies in der Lautsprache der Fall ist. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Handlung in sachlogische Teilschritte zu durchgliedern, damit die Lernenden sowohl der Handlung als auch den sich darauf beziehenden Äußerungen in Deutscher Gebärdensprache folgen können. 
 

Zur Sicherung des Sprachverständnisses ist die Sicherung der Aufmerksamkeit unerlässlich. Hierzu ist es notwendig, für Ruhe im Raum zu sorgen und sich als Lehrkraft nicht nur den Lernenden zuzuwenden, sondern auch auf die bewusste Zuwendung durch die Schülerinnen und Schüler zu warten (Herstellen von Blickkontakt).
Schülerinnen und Schüler mit Hörschädigung können akustische Informationen nicht „beiläufig“ aufnehmen. Der Unterricht ist so zu gestalten, dass hör- und sprachbedingte Barrieren vermindert bzw. ausgeglichen werden. 

Hinweis:
Bei der Gestaltung von Bildungsangeboten zur Förderung des Sprach- und Textverständnisses ist zu beachten, dass individuelle Unterstützungsmaßnahmen notwendig sind, um Barrieren für das Lernen zu reduzieren. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass diese Maßnahmen rechtzeitig wieder abgebaut werden, da man auf diese außerhalb von Schule meist nicht zurückgreifen kann. 

Sicherung von Hörverstehen

  • Gesprächsregeln vereinbaren und durchgängig anwenden
  • Strategien zum Auflösen von Verständnisproblemen vereinbaren und einsetzen
  • Nachfragen ermöglichen, Schüleräußerungen ggf. wiederholen
  • Gesprächs- oder Diskussionsergebnisse schriftlich festhalten (Stichwörter, Akzentuierung zentraler Begriffe)

Hinweise zur Verwendung von audiovisuellen Medien

  • audiovisuelle Medien mit Untertiteln nutzen
  • Textvorlagen zum Mitlesen zur Verfügung stellen
  • alternative Aufgaben für Schülerinnen und Schüler anbieten, die aufgrund ihrer Schädigungsspezifik Tonträger nicht verstehen können

Sicherung des Aufgabenverständnisses

  • Anweisungen, Fragen bzw. Aufgabenstellungen in kurzen, möglichst eingliedrigen Sätzen eindeutig und klar formulieren, ggf. visualisieren
  • Themenwechsel deutlich machen
  • Symbolkarten für wiederkehrende Arbeitsanweisungen einsetzen
  • komplexe Aufgabenstellungen in Teilaufgaben zerlegen
  • Operatoren sprachlich unmissverständlich einführen und regelmäßig anwenden
  • Benutzung von Nachschlagewerken und modernen Kommunikationsmedien fördern
  • Arbeitsauftrag mit Hilfe visueller Abrufhilfen in eigenen Worten wiederholen lassen

Sicherung von Textverständnis in allen Fächern
Schwerpunkt ist der Erwerb grundlegender Arbeitstechniken zur Absicherung des Textverständnisses auf Wort-, Satz- und Textebene. Die Schülerinnen und Schüler sind zu ermutigen, Verständnisprobleme zu signalisieren und Strategien zur Klärung von Sinnzusammenhängen bewusst anzuwenden. 

Um die selbstständige Texterschließung zu unterstützen, sind die Prinzipen der Textoptimierung anzuwenden, bspw.: 

  • Wortebene (zusammengesetzte Wörter mit Bindestrichen strukturieren, Genitiv-Ketten bzw. doppelte Verneinung vermeiden)
  • Satzebene (Standard-Satzbau verwenden, Schachtelsätze vermeiden, Nebensätze mit eindeutigen Anschlusswörtern einleiten)
  • Textebene (Gliederung durch Absätze, Einrückungen oder Aufzählungen)
  • Gestaltung (wichtige Informationen markieren, gut lesbare Schriftarten- und größen verwenden, sinnvolle Zeilenumbrüche)

Auf Grundlage des Förderplans können individuell

  • Zeitzugaben für die Bearbeitung vereinbart werden,
  • unbekannte Texte z. B. durch Hausaufgaben oder im Förderunterricht vorbereitet und/oder nachbereitet werden und 
  • Textadaptionen oder gekürzte Textfassungen eingesetzt werden. 

Hinweise zur Sprach- und Kommunikationsförderung sind unter Gestaltung von Förderprozessen im Förderschwerpunkt Sprache zu entnehmen. Entsprechend dem individuellen sonderpädagogischen Förderbedarf können folgende Schwerpunkte im Fokus stehen:

  • Förderung des Wortschatzes
  • Förderung grammatischer Fähigkeiten
  • Förderung der Aussprache
  • Förderung pragmatisch-kommunikativer Fähigkeiten

Hinweis:
In der öffentlichen Bibliothek der Landesschule mit dem Förderschwerpunkt Hören (Leipzig) steht u. a. Literatur zu verschiedenen Fachgebieten der Hörgeschädigten- und Sprachheilpädagogik sowie verschiedene Nachbardisziplinen zur Verfügung (Möglichkeit der Fernleihe über die ortsansässige Bibliothek). Eine persönliche Beratung kann vereinbart werden. 
 

Individuelle Empfehlungen zum Nachteilsausgleich im Förderschwerpunkt Hören erfolgen schülerbezogen im Rahmen der Beratung durch die zuständige Förderschule/den zuständigen MSD

In Abhängigkeit von den individuellen Stärken und Schwächen eines Kindes bzw. Jugendlichen sollen im Rahmen der prozessbegleitenden Diagnostik in einem kooperativen Abstimmungsprozess von Lehrkräften, anderen Fachkräften, Eltern und je nach Möglichkeit dem jungen Menschen selbst individuelle Förderangebote entwickelt werden, die das Kind bzw. den Jugendlichen dabei unterstützen, seine Kompetenzen in einem bestimmten Bereich zu erweitern. Zur fundierten Planung dieser Förderangebote ist eine passgenaue Auswahl diagnostischer Verfahren und Instrumente notwendig. In Abhängigkeit von der diagnostischen Fragestellung sollten Methoden und Instrumente aus den in der Landesliste (2024) empfohlenen Methoden und Instrumente für die Diagnostik im Förderschwerpunkt Hören sowie weiteren Empfehlungen verwendet werden.

Die regelmäßige Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs setzt sich spätestens aller zwei Jahre im Rahmen der Klassenkonferenz mit der Frage auseinander, ob nach wie vor ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt Hören besteht. Grundlage dieser Entscheidung und deren Dokumentation ist der Entwicklungsbericht (Formblatt F2). Für die Beschlüsse der Klassenkonferenz ist der MSD oder eine Lehrkraft der betreuenden Förderschule beratend hinzuzuziehen.  

zurück zum Seitenanfang