Förderdiagnostik
In der Literatur existieren verschiedene Differenzierungsformen von Diagnostiken, die in sonderpädagogischen Arbeitsfeldern Beachtung finden. Diese reichen von Statusdiagnostik über Selektionsdiagnostik bis hin zur entwicklungsbezogenen Diagnostik (vgl. Schuppener et al. 2021, S. 156f.). Grundsätzlich werden mit Baumann, Bolz & Albers (2021, S. 24) zwei diagnostische Strategien unterschieden:
- Statusdiagnostik: Hierbei soll der aktuelle Entwicklungsstand eines Kindes oder Jugendlichen erfasst und beschrieben werden. Aus diesem IST-Zustand heraus können dann Konsequenzen für das weitere Handeln gezogen werden. Sie dient vorrangig als Grundlage für Platzierungsentscheidungen, bildet jedoch als Feststellung der Lernausgangslage auch den Ausgangspunkt der Prozessdiagnostik.
- Prozessdiagnostik: Zentral ist hier die Fokussierung auf die Veränderung von Problemlagen, indem Entwicklungsstände kontinuierlich zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben werden. Zielführend ist die Abbildung von Entwicklungs- und Bildungsverläufen von Kindern oder Jugendlichen.
Die Beratung und das Verfahren zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf basiert auf einer prozessorientierten Diagnostik, wobei der Prozess der Förderung konsequent einbezogen wird. Geht man der Frage nach, wie entwicklungsfördernde Lehr- und Lernsituationen für das Kind oder den Jugendlichen gestaltet und optimiert werden können, müssen Lernausgangslagen erhoben, Lernprozesse kontinuierlich analysiert, Situationen und Kontexte einbezogen sowie Diagnose und Förderung konsequent miteinander verknüpft werden (vgl. Breitenbach 2020, S. 68ff).
Die Förderdiagnostik versucht genau diesem Anspruch gerecht zu werden, indem jene diagnostischen Methoden ausgewählt werden, aus denen Diagnostikergebnisse gewonnen werden können, die zur Ableitung von Handlungsstrategien und zur Förderung der Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen dienen. Sie ist als übergeordnetes Diagnostikkonzept anzusehen, innerhalb dessen sich zwei Formen unterordnen lassen (vgl. Baumann, Bolz & Albers 2021, S. 24):
Förderdiagnostik | |
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Ziel ist die Identifizierung von Entwicklungs- und Bildungsproblemen sowie deren Entstehungs- und Veränderungsbedingungen, die Planung und Evaluation von Maßnahmen zur Förderung relevanter Entwicklungs- und Ressourcenbereiche sowie die Formulierung von Zielen, Bedingungen und Methoden. | |
Stellungnahme/Gutachten | Prozessbegleitende Diagnostik |
= Mischform einer status- und prozessorientierten Diagnostik | = prozessorientierte Form der Diagnostik |
Dokumentation von Diagnostikergebnissen aus einem definierten Zeitraum: Der Endpunkt ist festgelegt und es werden zurückreichende Zeitfenster (anamnestische Daten) erhoben. Schließt an intensive individuelle pädagogische Förderung und Ausschöpfen inner- und außerschulischer Ressourcen und Hilfen an. |
Dokumentation von Entwicklungsfortschritten oder Effekten parallel laufender Fördermaßnahmen oder Einschätzung der Gefährdung einer Situation im Falle einer Nicht-Intervention. Prozessbegleitende Diagnostik schließt sich in der Regel an ein förderpädagogisches Gutachten an. |
Im Rahmen des gesamten förderdiagnostischen Vorgehens werden bereits in der Schuleingangsphase die grundlegenden Entwicklungsbereiche (§ 5 Absatz 3 SOGS) betrachtet:
- Sprache und Kommunikation,
- Körper und Motorik,
- Emotionen und Sozialverhalten sowie
- Kognition (Wahrnehmung, Denken und Gedächtnis)
Dies vollzieht sich im Rahmen einer umfassenden Kind-Umfeld-Analyse unter Berücksichtigung der physischen und psychischen Voraussetzungen, Fähigkeiten, Interessen, Handlungsstrategien und Bedürfnissen sowie einwirkender Kontext- und Umweltfaktoren (vgl. Baumann, Bolz & Albers 2021, S. 26).