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Schülerinnen und Schüler mit traumatischen Grunderfahrungen

Psychische Traumatisierungen bei Kindern und Jugendlichen wurden im pädagogischen Praxis- und Wissenschaftskontext lange Zeit zu wenig beachtet, gewannen allerdings im letzten Jahrzehnt immer mehr an Bedeutung. Bis zum 18. Lebensjahr erleben über 50 % der Kinder und Jugendlichen ein traumatisches Erlebnis. Von diesen betroffenen Kindern und Jugendlichen entwickeln 15,9 % eine PTBS (vgl. Eilers & Rosner 2021).
 
Ereignisse, die sich zu traumatisierenden Erfahrungen manifestieren, sind enorm vielschichtig und variieren von Betroffenem zu Betroffenem. Allen gemeinsam sind jedoch, dass (wiederkehrende) traumatische Erfahrungen einen gravierenden Einfluss auf die Entwicklung darstellen. Sie lösen einen erheblichen Leidensdruck aus und resultieren in stark auffälligen Verhaltens- und Beziehungsmustern. Für Schülerinnen und Schüler sowie pädagogische Fachkräfte stellen sie im schulischen Alltag enorme Herausforderungen dar. 

Verhaltensweisen, die auf die Kernsymptome einer PTBS bei Schülerinnen und Schülern hinweisen, fasst Krüger (2012) wie folgt zusammen:

  • Sie/Er hat das Gefühl, ständig in Gefahr zu sein. Sie/Er ist ständig auf der Hut. 
  • Sie/Er empfindet eine permanente Nervosität und motorische Unruhe. 
  • Sie/Er kann anderen Menschen nicht oder nur schwer vertrauen. 
  • Diese ständige Verteidigungshaltung kann sich auch im Tragen von Waffen äußern. 
  • Bereits kleine Geräusche und Bewegungen lösen Schreckreaktion aus. 
  • Es besteht eine erhöhte Reizbarkeit und Emotionalität .
  • Ungewollt kehren belastende Erinnerungen oder Erinnerungsbruchstücke wieder. 
  • Diese Erinnerungen können in Teilen, aber auch komplexen Sequenzen (überflutend) erinnert werden. 
  • Sie/Er hat den Eindruck, als ob das Trauma im „Hier und Jetzt“ wieder geschieht. Bilder, Geräusche, lebhafte Eindrücke, auch Gerüche können als Auslöser (Trigger) wirken.
  • Im Wachzustand als auch im Schlaf ist dies möglich: Wiederkehrende Träume, die Teilaspekte des Traumas beinhalten. 
  • Gemeinsam mit diesen Flashbacks treten häufig Körperreaktionen auf wie Herzrasen, Schwitzen, Atembeschwerden, Zittern, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden. 
  • Es kann sein, dass sie/er ein Vermeidungsverhalten entwickelt, um sich von dauernden Flashbacks zu erholen. 
  • Es kann aber auch sein, dass sie/er wie abwesend ist und starr mit leerem Blick in die Gegend schaut. 
  • Gefühle, Erinnerungen oder das Schmerzempfinden sind wie ausgeschaltet. 
  • Im Gesicht und Körperhaltung zeigen sich kaum irgendwelche Gefühle. 
  • Entfremdungsgefühl, als ein Gefühl von Loslösung und Fremdheit gegenüber anderen Menschen

außerdem

  • Schulangst, Schulverweigerung, Schulunlust 
  • soziale Ängste, Vermeidung von sozialen Kontakten
  • neu aufgetretene spezifische Ängste und oder Zwänge (Händewaschen, Ekel vor bestimmten Konsistenzen, zwanghaftes Herstellen von Ordnung, etc.)
  • körperliche Symptome jeglicher Art (Blässe, Erröten, starkes Schwitzen, Schmerzen ohne körperliche Ursache, Übelkeit, Erbrechen, etc.)
  • verminderte Impulskontrolle
  • Alkohol- oder Drogenkonsum 
  • depressive Verstimmungen verbunden mit Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Rückzug etc. 
  • selbstverletzendes Verhalten oder gesteigertes Risikoverhalten
  • angepasste bis überangepasste Verhaltensweisen bei gleichzeitig hoher körperlicher Anspannung
  • Essstörungen
  • aggressive sexuelle Verhaltensweisen oder eine übermäßige Beschäftigung mit Sexualität 

Wenn Schülerinnen und Schüler plötzlich und über einen längeren Zeitraum hinweg solche Verhaltensweisen zeigen, können Lehrkräfte davon ausgehen, dass ein erhöhtes Stresserleben vorliegt.
Zudem implizieren Lernschwierigkeiten nicht selten einen traumatischen Hintergrund. Ding (2009, S. 58) verweist auf die Zusammenhänge zwischen „traumatischen Ereignissen und Lern-Leistungsfähigkeiten“ sowie affektiven und kognitiven Störungen. Insbesondere die Prozesse der Informationsaufnahme und -verarbeitung sind beeinträchtigt und Lernerfahrungen können nur schwer integriert werden. Begleitend treten Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und sensorische Wahrnehmungsstörungen sowie Schwierigkeiten bei der Selbstinstruktionsfähigkeit auf (vgl. ebd.). Traumabezogene Reize, sogenannte Trigger, führen zu einer schnellen Erregbarkeit der Schülerin oder des Schülers, die in Spannungssituationen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft nicht klar trennen können und regressiv oder aggressiv reagieren.

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